Generationen übergreifende Kooperation als Schlüssel zum Erfolg
Die partizipationserfahrenen Workshopteilnehmer institutionalisierten ihre Kooperation und gründeten unter dem Dach der Gemeinde 2005 die „Kommission neues JUZ“, die sehr motiviert an die Arbeit ging. Ihr gehörten drei Mitglieder des JUZ, drei Mitglieder des Gemeinderats, der Bürgermeister, der Ortsvorsteher, der Jugendpfleger, der Bauamtsleiter und ein Architekt an. Nach der Klärung des Raumbedarfs tauchte wie schon bei das Gaswerkhalle das Finanzierungsproblem auf, das diesmal allerdings mit Hilfe des Förderprogramms Soziale Stadt/lebenswerte Stadtstrukturen gelöst werden konnte.
2006 erfolgte der Durchbruch. Der Gemeinderat fasste den Grundsatzbeschluss für ein neues JUZ in der Poststraße, partizipativ wurde geplant, geändert, revidiert, mit Zuschussgebern verhandelt, bis schließlich das Konzept stand. Positiv vermerkt das JUZ, dass „stets Gemeindemitglieder, Handwerker und auch die JuZler selbst in den gesamten Prozess mit einbezogen [waren], bis im Sommer 2007 die Arbeiten aufgenommen wurden“. Zwar lief auch weiterhin nicht alles nach Plan, da beispielsweise durch das Nichtraucherschutzgesetz erneute Änderungen notwendig wurden, aber die Gefahr des Scheiterns bestand nun nicht mehr.
Jugendliche selbst aktiv: Ein Musterbeispiel für Sozialkapital
Nachdem von Profis die notwendigen statischen und gebäudetechnischen Änderungen vorgenommen worden waren, konnten die Jugendlichen ab März 2008 selbst aktiv werden. Das war ein Musterbeispiel für Sozialkapital: Die JUZ’ler entfernten Tapeten, vergipsten und verputzten Wände, brachten Farbe auf, engagierten sich bei der Beleuchtungseinrichtung und bei Probenräumen, sorgten für technische Ausrüstung und Internet-Standards. Oft waren sie am Ende ihrer Kräfte, wie sie in ihrer Chronik schrieben, aber sie hatten „die lang ersehnte Eröffnung vor Augen“ (http://venyoo.de/veranstaltungsort/8435/juz-illingen) und „rissen sich zusammen“ (a.a.O.). Die Eigenmotivation hatte Erfolg, das JUZ wurde bezogen, und die Beteiligten waren durchweg sehr zufrieden.
Im Fazit der Jugendlichen heißt es: „Man kann also sagen, dass jeder einzelne, der am Aufbau dieses neuen Jugendzentrums beteiligt war, sein bestes gegeben hat, seien es nun die Politiker, die Verwaltung, die Handwerker, die Sponsoren, die vieles erst ermöglicht haben, oder die Jugendlichen selbst. Nicht zu vergessen sind auch das Ministerium für Umwelt und die Europäische Union, die den Umzug mit Fördermitteln ebenfalls unterstützten und ermöglichten. Alles in allem war es ein Gemeinschaftsprojekt, das ohne die Hilfe des anderen nicht funktioniert hätte. Diese Idee, die 12 Jahre lang auf ihre Verwirklichung wartete, konnte nur so realisiert werden.“ (a.a.O.)
Trotz aller Hindernisse, Probleme, Enttäuschungen und Rückschläge wurde das Projekt Jugendzentrum zu einem Erfolg partizipativer Lokalpolitik. Mit dem Demographie- und Zukunftsprojekt „Illingen 2030“ war der Entwicklungsrahmen gegeben, der dem JUZ-Projekt den nötigen Drive und die nötige Begründung gegenüber Ministerien gab.
Lokale Teilhabe der Jugend in Reinkultur
Das JUZ-Projekt bot den Partizipanten Lokalpolitik und Governance-Arrangements in Reinform. Sie mussten Interessen bündeln und artikulieren, Überzeugungsarbeit leisten, Mitstreiter finden, Netzwerke bilden, ihre Kooperation institutionalisieren, Rückschläge verkraften, sich nach drei Kommunalwahlen und zwei Bürgermeisterwahlen jeweils aktuell orientieren und mit neuen Partnern arbeiten und schließlich, als kaum noch mit dem Projekterfolg zu rechnen war, handwerklich arbeiten und organisieren, um möglichst viele neue Jugendliche ans JUZ heranzuführen. Inzwischen hatte ein kompletter Schülerjahrgang das Illtal-Gymnasium durchlaufen, waren drei Grundschul-Generationen zu Heranwachsenden geworden, die über ein dutzend Jahre im Provisorium „Alte Polizei“ auf bessere JUZ-Zeiten hofften. Am Ende hatten die Erfolg, die dicke Bretter bohrten und nie aufgaben und an ihr Ziel glaubten. Mit der tatkräftigen planerischen und handwerklichen Beteiligung brachten die Jugendlichen und ihre ehrenamtlichen Förderer Sozialkapital ein, Verwaltung und Politik ergänzten dies mit (Ver-)Handlungskompetenz, Engagement und Fachwissen. Möglich war dies nur, weil die jeweilige Chefebene in Verwaltung und Politik die hoch motivierten Jugendlichen unterstützten. Die lernten ihrerseits Politik auf der Handlungsebene, nicht aus dem Lehrbuch kennen. Sie wurden mit allem konfrontiert, was Lokalpolitik zu bieten hat und kamen mit Ebenen in Berührung, die sie sonst kaum kennengelernt hätten – bis hin zu Landesministerien und Brüsseler Generaldirektionen. Damit vermittelte das Projekt ganz nebenbei politische Handlungskompetenz. Die Erwachsenen in Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit erfuhren ihrerseits, dass viele öffentlich vermittelte Jugend-Stereotype falsch oder zumindest tendenziös sind.
Das Projekt verlief nie kontinuierlich, die Komplexität des Projekts sorgte immer wieder für Ausschläge ins Positive und ins Negative. Es gab Brainstorming-Phasen, Euphorie, positive Zwischenergebnisse, Enttäuschungen, weil sich Ergebnisse kreativer Arbeit nicht realisieren ließen, Rückschläge, Ruhephasen, Hintergrundgespräche, Vermittlungen, Verhandlungen, Überraschungen, emergente Ereignisse, Bündnisse auf Zeit, Planungsphasen, Konsolidierungsphasen, revidierte Planungen, formalisierte und institutionalisierte Projektierungen für Zuschussgeber und schließlich die partizipative Umsetzung der Ideen. Letztlich war das JUZ-Projekt eines der erfolgreichsten und ungewöhnlichsten Partizipationsprojekte der Gemeinde Illingen. Die Beteiligten hoffen, dass es auch zu den nachhaltigsten gehören wird.